14. Februar 2010

Audienz bei Marie Antoinette

1775 bis 1776 er war Lauzun wieder regelmäßig in Versailles an zu treffen. Er besuchte oft seine Schwägerin Madame Guéménée und auch die Gräfin Gramont, zu der ihm eine enge Freundschaft verband. Weiters versah er in dieser Zeit seinen Dienst bei der Hofgarde in Versailles.
Marie Antoinette war von diesen verdienstvollen Soldaten sehr angetan. Sie hatte eine Vorliebe für galante und vornehme Offiziere mit einen gewissen Ruf bei Frauen. Eine Beschreibung, die auf duc de lauzun zutraf. In dem Sog der Köngin folgte der junge duc de artois, der ebenfalls die Nähe des erfahrenen Lauzun suchte. Ludwig der XVI. sah das und hatte ein gewisses Vertrauen dem Herzog gegenüber, so weit das sein Charakter zuließ. Lauzun wußte, daß die Bevorzugung der Königin in das Gegenteil umkehren konnte und spürte die Gefahr in der er schwebte. Seine enge Freundschaft und auch das familiären Band zu Herzog de Choiseul, den er oft in seiner Verbannung in Canteloup besuchte erregte Aufsehen bei Hofe. Lauzun stand auch im engen Kontakt mit der russischen Kaiserin Katharina. In dieser Zeit stand er nur knapp davor verhaftet und in die Bastielle gebracht zu werden.


Eines Tages machte mir die Prinzessin von Bouillon bei Frau Guéménée den Vorwurf, daß ich traurig und zerstreut sei und fügte lachend hinzu, ich hätte gewiß eine große Leidenschaft im Herzen.
„Wenn dem so ist,“ erwiderte ich scherzend, „so muß es eine unglückliche sein, denn ich sehe den Gegenstand dieser Leidenschaft selten.“
„So sagen Sie mir doch wenigstens den Namen meiner Liebe. Es ist ja nur recht und billig, daß ich ihn auch weiß.“
„Es handelt sich um eine hohe Persönlichkeit, als daß man es wagen könnte, ihren Namen zu nennen. Da jedoch sehr wenig Leute in diesem Zimmer anwesend sind, will ich Ihnen anvertrauen, daß es die Königin ist.“
Frau von Guéménée wurde rot und verlegen. – „Von dieser Neuigkeit muß ich die Königin sofort benachrichtigen,“ sagte ich so kalt wie möglich, „ich werde sogleich zu ihr gehen und es ihr sagen, ohne selbstverständlich jemand zu nennen“. Dabei sah ich die Prinzessin von Bouillon scharf an, die mir vollkommen außer Fassung schien. Nach diesen Worten verließ ich das Zimmer.
Ich ging zur Königin hinauf, der ich begegnete, als sie sich zur Abendandacht begab. Ich bat sie dringend, mir nach der Andacht eine halbe Stunde Audienz zu gewähren. Sie antwortete, ich möchte auf sie warten und ließ mich in ihr Zimmer eintreten.
Als sie zurück kam sagte sie: „Nun was gibt´s Neues!“
„Ich halte es für meine Pflicht, Eure Majestät davon zu unterrichten, daß man gewagt hat, meine grenzenlose Ergebenheit für Sie schlechte auszulegen, ja daß man die Kühnheit so weit treibt, die Güte, mit der Eure Majestät mich auszeichnet, zu tadeln. Ich wage Sie daher flehentlich zu bitten, die allzusehr ins Auge springenden Beweise etwas zu vermindern und mir zu gestatten, daß ich etwas weniger oft meine Aufwartung bei Eurer Majestät mache.“
„Wie können sie so etwas denken?“ entgegnete sie zornig; „sollen wir uns frechen Reden fügen, die ich nicht zu fürchten brauche? Und würde man es mir verzeihen können, diesem Geschwätz den Mann geopfert zu haben, zu dem ich das größte Vertrauen auf der Welt habe, und dessen Anhänglichkeit am meisten bedarf?“
„Ja Eure Majestät müssen es, und ich bin darauf gefaßt gewesen. Wie furchtbar es auch für mich ist, auf die Annehmlichkeiten verzichten zu müssen, Eure Majestät mein Leben und meine Dienste zu weihen, so muß ich mich doch darein fügen und die Gelegenheit benutzen, - weil die Umstände mir ermöglichen – das Angebot einer großen Herrscherin anzunehmen und den Verfolgungen zu entgehen, die man mir in meinem Vaterland allenthalben bereitet.“
„Sie glauben also, ich würde Sie nicht beschützen und verteidigen?“
„Ich wage Eure Majestät flehentlich zu bitten, ja, ich wage sogar als einzigen Lohn meiner völligen Ergebenheit zu fordern, daß Eure Majestät sich nicht meinetwillen Kompromittieren: ich bin mir selbst genug, um mich zu verteidigen ...“
Wie , Sie wollen, daß ich die Feigheit hätte ... Nein, Herr von Lauzun unser Geschick ist unzertrennlich: man wird Sie nicht ins Verderben stürzen ohne mich ...“
„Oh, Madame, kann das persönliche Interesse eines Untertanen in Betracht kommen, wenn es sich um die hohen Interessen einer Königin handelt?“
„Ein Untertan wie Sie Lauzun? Verlassen Sie mich nicht, ich beschwöre Sie. Was soll aus mir werden, wenn Sie mich verlassen?“
Ihre Augen füllen sich mit Tränen. - Im tiefsten Grunde meines Herzens gerührt, stürzte ich mich ihr zu Füßen und rief: „Könnte ich mit meinem Leben so viel Güte bezahlen! Ein so hochherziges Gemüt!“
Sie reichte mir die Hand. Ich küsste sie mehrmals leidenschaftlich, ohne meine Stellung zu verändern. Mit unendlicher Zärtlichkeit beugte sie sich zu mir herab; als ich mich erhob, lag sie in meinen Armen, und ich drückte sie an mein stark bewegtes Herz. Sie errötete, aber ich sah keinen Zorn in ihren Augen.
„Nun,“ begann sie und entfernte sich ein wenig, „werde ich nichts erreichen?“
„Glauben Sie mir, Madame,“ antwortete ich mit großer Wärme, „ es kommt nicht allein auf mich an. Sind Sie nicht alles für mich? Ihenn allein will ich dienen, Sie sind meine einzige Herrscherin! Ja,“ fuhr ich trauiger fort, Sie sind meine Königin, Sie sind die Köngin von Frankreich!“
„Ihre Augen schienen mich noch um einen anderen Titel zu bitten, und ich war versucht, das Glück zu erfassen, das sich mir zu bieten schien, aber zwei Gründe hielten mich davon ab: Niemals habe ich gewünscht, den Besitz einer Frau einem Augenblick zu verdanken, den sie einst bereuen könnte, und dann wäre mir der Gedanke unerträglich gewesen, das Madame Czartoryska sich dem Ehrgeiz geopfert glaubte. Daher faßte ich mich sehr bald wieder und sagte ernst: Ich werde ohne die Befehle Eurer Majestät keinen Entschluß fassen. Eure Majestät mögen über mein Schicksal verfügen.“
„Gehen sie jetzt,“ sagte sie „diese Unterhaltung hat lange genug gedauert und wahrscheinlich schon allzusehr bemerkt worden.“- Darauf machte ich eine sehr tiefe Verbeugung und zog mich zurück.

Aus den Memoiren des Duc de Lauzun Seiten 199 -203


Das nachstehende Bild zeigt Étienne-François de Choiseul, Herzog von Amboise