20. April 2008

Étienne de Silhouette


Von der Geschichte längst vergessen, wäre da nicht sein Name:
Étienne de Silhouette, den Ludwig XV. 1759 zum Finanzminister ernannte


Um neue Steuern und eine vorübergehende Finanzkrise abzuwenden, schlug Etienne de Silhouette seinem König ein denkbar einfaches Konzept vor. Sparen und nichts als sparen, so lautete seine Devise. Doch mit dieser Politik scheiterte Silhouette und macht sich darüber hinaus zum Gespött der Leute. Man gab ihm den Spitznamen „banqueroutier“. Schließlich nach acht Monaten im Amt, gab er auf und zog sich auf seinen Landsitz zurück.
Sein Sparprogramm aber lebte in der Phantasie des Volkes fort: Alles was den Anschein von Kargheit oder Knauserigkeit erweckte, versah man mit der Wendung „á la silhouette“. Pariser Schneider machten sich gar den Spaß, Kittel ohne Falten und Jacken Taschen zu entwerfen (Geld, um es hineinzustecken, gab es ja nicht), die sie „Habits á la Silhouette“ nannten. Da lag es nahe auch die in Mode gekommene und besonders billige Technik des Porträts, den Schattenriss, als „Silhouette“ zu bezeichnen. Überdies war das Ausschneiden und Zeichnen von Schattenbildern eine große Leidenschaft des so kläglich Gescheiterten. Die Bezeichnung Silhouette setzte sich dann allgemein durch, auch über Frankreichs Grenzen hinaus, und 1835 erkannte sie die Acadámie francaise offiziell an. Bis heute steht sie für die Versinnbildlichung des Schattens.
Anders als der Scherenschnitt, bei dem das Profil – vorgezeichnet oder nicht – direkt aus dem Papier geschnitten wird, entsteht die Silhouette, indem ein auf die Wand oder auf Papier geworfener Schatten umrissen und dann mit Pinsel oder Tusche schwarz ausgefüllt wird. Erst dann kann geschnitten werden.
Europa befand sich vor der Erfindung der Fotographie in einem wahren Silhouettenrausch: Jeder europäische Fürstenhof, der auch sich hielt, beschäftigte einen begabten Silhouettenschneider, Kaufleute und Beamte klebten die Silhouetten ihrer Familie in obligatorische Album, Fischhändlerinnen trugen das Schattenbild des Geliebten in Scheingold gefasst an ihren Armbändern, und zeitweise verliehen die Frauen in Paris ihrem Gesicht Pikanterie, indem sie fliegengroße Silhouetten aus Samt als Schönheitspflästerchen benutzten. Aber auch auf Glas oder Porzellan fand man die beliebten Silhouettenmotive.
Doch wäre die Silhouette keine Kunst des 18. Jahrhunderts ohne das notwendige Quäntchen Wissenschaftlichkeit. Hierfür sorgte vor allem die von dem Schweizer Theologen Johann Kaspar Lavatar propagierte Physiognomie, nach der der Charakter eines Menschen an der äußeren Erscheinung zu erkennen sei. So stand für Lavater zweifelsohne fest, keine Kunst an die Wahrheit eines gut gemachten Schattenrisses“ reiche.
Goethe, selbst ein berühmter Silhouettist, schrieb 1791: „Jedermann war im Silhouettieren geübt und kein Fremder zog vorüber, den man nicht abends an die Wand geworfen hätte, der Storchenschnabel durfte nicht rasten.“ Der Storchenschnabel war ein Pantograph der bereits 1603 von dem Jesuiten Christoph Scheiner erfunden worden war und mit dessen Hilfe der Schattenriss beliebig verkleinert werden konnte, Ähnlich funktionierte der 1786 erfundene Physiontrace von Gilles Louis Chrétien, mittels dessen die verkleinerten Profile auf Papier, Stuckkarton oder Elfenbein aufgetragen werden konnten.
Während immer neue Silhouettierapparate erfunden wurden, machte Nicéphore Niepce 1822seine erste fotografische Aufnahme. Eine neue Kunst war geboren, die die Natur noch schneller, noch billiger und – wie es schien – noch wahrheitsgetreuer abbildete. Die Silhouettenkunst war endgültig ins Reich der Schatten verbannt.







Entnommen der Zeitschrift - „Damals“ von Anja Röhrich

18. April 2008

Brillat-Savarin der Botschafter des guten Geschmack



Während der Adel auf dem Kontinent bereit war, sein Leben zu lassen, damit die Ideen der Französischen Revolution sein behagliches Salonleben nicht noch weiter erschütterten, war Englands Hocharistokratie bereit, für einen Salat zu sterben oder nicht mehr bereit bloß Öl und Essig an ihr rohes Gemüse zu lassen.
Chevalier D`Albinac, ein junger französischer Adeliger, der im englischen Exil lebte, war eines Tages in einem feinen Londoner Restaurant von einem Dandy der englischen Hocharistokratie angesprochen worden: „Pardon, Herr Franzose! Es heißt, Ihre Nation macht den besten Salat der Welt. Würden Sie uns das Vergnügen machen, sich einmal des unsrigen anzunehmen?“ D´Albinac machte der Tischgesellschaft das Vergnügen und legte damit gleichzeitig den Grundstein für eine beispiellose Karriere als „fashionable saladmaker“, wie man ihn bald nannte.
Seine Meisterschaft sprach in den feinen Kreisen herum und d´Albinac wusste, was er seiner Klientel schuldig war:
Er fuhr mit einem Vierspanner von Lunch zu Dinner, stets gefolgt von einem Diener, der ihm Ebenholzkästchen die unentbehrlichen Ingredienzien reichte: Essig, Öl, Kaviar, Anchovis, Trüffel oder Eigelb für die Mayonnaise. Dieses Salat-Necessaire, von d´Albignac erdacht, ging bald in die serienmäßige Produktion und machte seinen Erfinder zum reichen Mann.
Solche Anekdoten finden sich in der „Physiologie des Geschmacks“ von Jean Anthelme Brillant-Savarin (1755 – 1826). Der Jurist trug viele Tischanekdoten zusammen: Gelehrige, geistvolle, oft nur amüsante, dabei stets den Esprit des 18. Jahrhunderts versprühend, weshalb das Werk, die „Bibel“ der Feinschmecker, noch immer gerne gelesen und zitiert wird. Sein gastronomischer Nebenbuhler Grimond de la Reynière urteilte: „Es ist ohne Widerrede das beste Buch, das seit vielen Jahren erschienen ist, und würde von Rechts wegen dem Autor die Türe zur Akademie öffnen, wenn diese sich für die Leute von überlegenem Genie überhaupt auftäte.“
Bei allem Lob wird oft übersehen, dass Brillat-Savarin nicht als feinschmeckerischer Feingeist in die Geschichte eingehen wollte, sondern als Professor der Gastronomie. Den das Ziel seiner 30 Jahre währenden Arbeit an der „Physiologie“ war , auf heitere Art, fernab von Regeln die vorab festgeschrieben sind, den guten Geschmack zu beschreiben, den dieser ist keine Frage der Betrachtung, der eigenen Befindlichkeit und nicht der Mode unterworfen, sondern einmalig und unvergänglich.
In den Zusammenhang der Ästhetisierung des Essen gehört auch die Unterscheidung zwischen der „direkten und robusten Empfindung“ der Esslust und den Tafelfreuden: „Esslust haben wir mit den Tieren gemeinsam“, den sie „braucht Hunger, mindestens Appetit“. Die Tafelfreude hingegen „ist von beiden meistens unabhängig“.
Im Ruhm seines Werkes konnte Brillat sich nicht mehr sonnen: Als er 1826, zwei Monate nach dem Erscheinen seines Buches an einer Gedächnismesse zu Ehren Ludwig XIV. teilnahm, zog er sich eine Lungenentzündung zu, der er wenige Tage später erlag. Grimond de la Reynière bemerkte über diesen unspektakulären Tod: „So schnell zu sterben, wenn es wenigstens noch an einer Unverdaulichkeit gewesen wäre!"

Eine Wiki-Biographie findest Du im Titellink

13. April 2008

Die Schlacht bei Dürnkrut



Der Untergang König Ottokars.
Teil 2


Ottokar ist mit seine Truppen fast doppelt so stark wie Rudolf mit seinen 300 Steirern, Elsässern und Schwaben, die ihnen entgegenstehen. Die einen, den Sieg knapp vor Augen, hauen und stechen mit furchtbarer Wucht, die anderen wissen, daß alles verloren ist, wenn sie jetzt nicht standhalten, wehren sich vebissen und mit dem Mut der Verzweiflung. Sind die Lanzen alle gebrochen und ist kein Knappe mehr da, um eine neue zu reichen, dann greifen sie zum Schwert und hauen drein, so gut sie eben können, und manch einer, dem auch das Schwert aus der Hand geschlagen oder zerbrochen ist, verteidigt sie sich mit dem Misencord*.
König Rudolf ist mitten unter den Seinen. Trotz seiner 60 Jahre scheut er nicht die Gefahr und kämpft wie ein gewöhnlicher Ritter. Mitten im Schlachtgetümmel erkennt ihn einer von seinen Gegner. Es heißt, Ottokar habe einen Mann gedungen, um den Habsburger zu töten. Der Unbekannte drängt sich durch das Gewühl der Kämpfer in Rudolfs Nähe und beginnt auf ihn einzuschlagen. Der König, ein erfahrerener Streiter, ein „miles emeritus“*, wehrt sich efolgreich, sein Pferd aber wird durch einen Lanzenstich tödlich getroffen. Kopfüber fällt er aus dem Sattel mitten hinein in den Weidenbach, von dort kann er sich aus eigener Kraft nicht mehr erheben, die schwere Rüstung drückt in nieder. Mit dem Schild deckt sich der Verunglückte, so gut er eben vermag, gegen die Hiebe des Angreifers und die Hufe der Schlachtrosse, die über ihn hinweggaloppieren, Verzweifelter hätte seine Lage nicht sein können: Sein Heer in höchster Bedrängnis, er selber in akuter Gefahr, entweder erschlagen oder zu Tode getrampelt zu werden. Wieder hängt sein Schicksal an dem sprichwörtlichen seidenen Faden, und wieder hat er auch das sprichwörtliche Glück des Tüchtigen. Walter von Ramswag, ein Ritter aus dem Thurgau, sieht den König wehrlos im Bach liegen. Er kämpft sich zu ihm durch, und es gelingt ihm, ihn aus dem Kampfgetümmel zu zerren und auf ein frisches, ausgeruhtes Pferd zu setzten, mit dem er sich alsbald wieder am Kampf beteiligt. Dem Ramswager wird der König diese Heldentat nie vergessen und stets des jungen Riters in Dankbarkeit gedenken.
Rudolf mit eigenen Worten:
„uns uf hub uss dem bache, da wir nidergeschlagen lagent, da mit er uns des lebens gehalf ..“
Die Schlacht jedoch ist durch diese Helden Stück des Thurgauischen Ritters längst nicht gewonnen, Immer noch kämpfen Rudolf und seine Mannen verzweifelt gegen die feindliche Übermacht an. Doch Ottokar zögert und wirft sein drittes Treffen nicht in die Schlacht. Die Polen und Schlesier kommen den deutschen Gästen nicht zu Hilfe, die allmählich müde werden vom stundenlangen Fechten in Staub und Sonnenglut.
Und nun bricht aus den Hügeln des Hochfeldes der lange Ulrich von Kapellen hervor, den Rudolf in weiser Voraussicht, als Verstärkung bereitgestellt hat. 60 verdeckte Rosse und wohl der die vierfache Zahl an Leichtbewaffneten, eine verhältnismäßig kleine Schar nur, aber frisch und ausgeruht. Wie es ihnen Rudolf befohlen hat, stellen sie sich nicht zum frontalen Kampf, sondern fallen Ottokars Ritter in die rechte Flanke und richten unter ihnen furchtbare Verwirrung an. Die Angegriffenen sind gewohnt, mit dem Gegener Auge in Auge zu kämpfen, nicht hinterrücks überfallen zu werden. Durch die schmalen Sehschlitze ihrer unförmigen Topfhelme haben sie nur ein äußerst beschränktes Gesichtsfeld nach vorne und können so nicht erkennen, wie schwach diese letzten Reserven Rudolfs sind, die ihre Attacke, das muß man zugeben, mit unerhörtem Elan und Bravour reiten. „Wie ein Tuch mit einer Schere“ spalten sich Ottokars Reihen, die alsbald in Panik geraten ob des neuen, unvermuteten Gegners, den sie nicht sehen können, wenn er sie hinterrücks anfällt. Da hört man inmitten der Schmerzensschreie von Mensch und Kreatur eienn Ruf, der auch das Kampfgebrüll und das Geklirre der Schwerter zu übertönen vermag: „Sie fliehen, sie fliehen“ Rudolfs Gefolgsleute stoßen ihn aus, als sie sehen, daß einige der „deutschen Gäste“ ihre Schlachtrosse wenden und in RichtungNorden sprengen, gegen Jedenspeigen zu.
„Sie fliehen, sie fliehen!“ Der Ruf pflanzt sich fort über das anze Schlachtfeld, und war er anfangs vielleicht nur als Kriegslist gedacht, so ist er jetzt rauche, blutige Wirklichkeit.
Ottokars Reihen lösen sich auf, in wilder Flucht stürmen sie nach Norden, dem Lager zu, wie eine gealtige Flutwelle, die alles mit sich fortspült. Sie begegenen den polen und Schlesiern aus dem dritten Treffen, frische, ausgeruhten Truppen, auch Böhmen unter dem grimmigen Milota, ehmals Landeshauptmann der Steiermark, sollen dabeigewesen sein. Sie schließen sich den Flüchtenden an, anstatt zu kämpfen, werden wohl auch hineingerissen in diesen gealtigen Strudel von Tod und Verderben. Nordostwärts streben sie, denn im Nordwesten wissen sie die Kumanen und baut sich zudem der steile Goldberg als Hindernis auf. Schon gellt ihnen das Geschrei der Verfolger in den Ohren, Vielleicht können sie sich jenseits der March in Sicherheit bringen, der Fluß führt ja nicht allzuviel Wasser um diese Jahreszeit, Doch ihre Pferde , müde und verwundet, sind dieser gewaltigen Strapaz nicht mehr gewachsen. Sie brechen ein, werfen ihre Reiter ab, die in ihren schweren Rüstungen wie Steine im Wasser versinken. Angeblich zu Tausenden ertrinken sie, „wie die Ägypter im Roten Meer“, ein bibelfester Chronist hat diesen anschaulichen Vegleich gewagt. Die March färbt sich rot vom Blut der Gefallenen und Verwundeten.
König Ottokar ist gefallen, sein Leichnam entkleidet und geschunden von den Mördern achtlos liegen gelassen, zogen sie ihn aus bis auf das letzte Hemd. Nackt und entstellt lag de Tote auf der bloßen Erde, umringt von gaffenden Schaulustigen, verspottet und verhöhnt von denen, die einst auf Knien vor ihm gekrochen waren.
In der Morgenfrühe des nächsten Tages führte man Ottokars Leichnam vom Schottenkloster zu den Minoriten. Stumm schritt die Wiener Geistlichkeit hinter der Bahre einher, ein düsterer, schweigender Zug ohne Glockengeläut und feierliche Gesänge, denn man geleitete die sterbliche Hülle eines Gebannten. Im Kreuzgang der Minoriten wurde der Tote öffentlich zur Schau gestellt. Niemand sollte je behaupten können, er sei gar nicht tot und werde später einmal wieder kehren, so wie es das Volk von Kaiser Friedrich glaubte, dem Staufer, der im fernen Apulien Anno Domini 1250 gestorben war.
Aus heutiger Sicht betrachtet war die Schlacht bei Dürnkrut die größte kontinentale Ritterschlacht aller Zeiten.

*Misencord - langes, dolchartiges Messer abgeleitet vom lateinischen Wort „misericordia“, Erbarmen, Mitleid,
miles emeritus* - altgedienter Ritter

Entnommen der Biographie Rudolf I. von Johann Franzl

Vor dem Wiener Stephansdom bittet der junge Wenzel, Rudolf von Habsburg um den Leichnam seines Vaters Przemysel Ottokar

12. April 2008

Rudolf I. gegen Ottokar II.


Die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen. Teil 1:

Rudolf I. von Habsburg, ein erfahrener Kriegsführer, gelang es am morgen des 26. August 1278 den Böhmenkönig Ottokar den II. zur Schlacht zu stellen.



Früh bei Sonnenaufgang, werden die Kämpfer in Rudolfs Lager geweckt. Der Bischof von Basel, ein Intimus* von Rudolf I., liest die Messe und predigt in schlichten, ergreifenden Worten, um verzagte Gemüter aufzurichten. Viele empfangen die Kommunion, die im Mittelalter nur an Menschen ausgeteilt wurde, die sich in Todesgefahr befanden. Der König spendet weltlichen Trost: An einer Reihe junger Edelknappen vollzieht in dieser feierlich-ernsten Stunde das Reichsoberhaupt die Zeremonie der Schwertleite. Sie werden in den Ritterstand aufgenommen, was ihnen im Falle der Gefangennahme bessere Behandlung verheißt.
Dann ist es Zeit für die Schlachtordnung. Im ersten Treffen machen sich die Ungarn bereit, umschwärmt von ihren kumanischen Hilfstruppen. Im zweiten Treffen sieht man die Österreicher, keilförmig aufgestellt. In der Mitte des Dreiecks der alte Haslauer, der wohl schon 80 Jahre zählt, er führt das Banner „mit dem weißen Strich“, die ehrwürdige rotweißrote Fahne Österreichs. Dahinter, im dritten Treffen, mit Rudolf, weht das weisse Kreuz im roten Feld, die Sturmfahne des Reiches, mit fester Hand geführt vom Burggrafen Friedrich von Nürnberg, um den sich Steirer, Schwaben und Franken scharen. Die Kämpfer Rudolfs tragen ein Kreuz als Erkennungszeichen, rot oder weiß. Die Farbe ist nicht einheitlich. „Rom, Rom“ und „Christus, Christus“ soll das Feldgeschrei sein. Der König inspiziert noch ein letztes Mals seine Truppen um sich dann ins dritte Treffen zu begeben wo sich seine besten Kämpfer befinden.
Er sei in großer Sorge gewesen um sich und die Seinen, weiß der Chronist von Colmar, Ottokar hingegen seines Sieges sicher.
Um neun Uhr morgens eröffnet Rudolf von Habsburg den Kampf. Sein erstes Treffen reitet an. Es sind die Ungarn und Kumanen, sie haben die Ehre des Vorstreites ausbedungen, Ihr König ist nicht bei ihnen, er erschien mit seinen 18 Jahren Rudolf noch zu jung, um mitzukämpfen. Um den jungen Ungarnkönig Ladislaus versammelte sich Geistlichkeit, die betend und singend das Kampfgeschehen aus sicherer Entfernung verfolgte. Nur Bischof Heinrich von Basel reitet in prächtiger Rüstung hoch zu Roß einher, für Kleinmütige spendet er Trost, die Mutigen feuert er an, und hätte es ihm seine geistliche Würde und des Königs Sorge um den unentbehrlichen Freund nicht verwehrt, er hätte selbst zum Schwert gegriffen.
So bleibt ihm nur übrig, das alte Marienlied anzustimmen, das alle kennen und in das sie alsbald begeistert einfallen:
"Sankta Maria, Mutter und Magd, all unsere Not sei Dir geklagt.“
Inzwischen sind die Ungarn an Dürnkrut vorbei ins Kruterfeld hinabgestürmt, gefasst erwartet dort Ottokar erstes Treffen auf Ihren Angriff . Es sind die böhmischen und mährischen Ritter. Bewußt hat sie Ottokar in dieses Treffen gestellt, und die Deutschen ins zweite, er sucht eine frühe Entscheidung, sein drittes Treffen, bestehend aus polnischen und schlesischen Kontingenten, gilt als weniger Kampfkräftig. „Hospodine pomilu ny“, „Herr erbarme Dich unser“ singen die Böhmen und Mährer, eine ernste, den gregorianischen Chorälen ähnelnde Melodie, die bald übetönt wird vom wilden Gebrüll der Kumanen und dann wohl gänzlich erstirbt unter dem Pfeilhagel aus den Reflexbögen, der auf die Ritter niedergeht, ohne daß sie sich wehren können. „Praga, Praga“ ertönt nun ihr Schlachtruf, und trotz ihrer in dem Pfeilgewitter erlittenen Verluste stellen sie sichden den Ungarn zum Kampf, die anfangs arg in Bedrängnis kommen: Palatin Matthäus stürzt vom Pferd und entgeht nur knapp dem Tod. Die magyarischen Adeligen mögen schwächer gerüstet sein, ihre Waffen aber verstehen sie vortrefflich zu führen, so, als hätten sie allesamt in Frankreich fechten gelernt, wie ein Kenner dieser Kunst, der Reimchronist, anerkennend urteilt. Die Böhmen und Mährer jedenfalls sind diesen brillanten Fechtkünsten nicht gewachsen, sie wenden sich zur Flucht nach Nordwesten gegen Zistersorf zu, die Magyaren und Kumanen hinterdrein im Rausche des Sieges. Sie denken nur noch ans Beutemachen, auf dem Schlachtfeld spielen sie vorerst keine Rolle mehr.
Jetzt wirft Ottokar sein zweites Treffen in die Schlacht, die Elite, auf die er seine größte Hoffnung gründet, die „deutschen Gäste“. Auf ihren schweren Rossen, die Lanzen drohend nach vorn gerichtet, stürmen sie den Österreichern entgegen, die tapfer den Kampf mit dieser furchterregenden Übermacht aufnehmen,
Nun erst beginnt das eigentliche, die Schlacht der schwergerüsteten Ritter. Wie auf dem Turnierplatz reiten sie aufeinander zu in langer Reihe, aus heisereren Kehlen ihre Schlachtrufe brüllend, die ihnen Mut machen sollen für ihr gefahrvolles, blutiges Handwerk. Der Zusammenprall ist fürchterlich: Lanzen splittern, Pferde und Menschen stürzen, das Gewieher der erschreckten Tiere mischt sich mit den Schmerzensschreien der Verwundeten. Die Österreicher, mögen sie auch tapfer fechten, können nicht lange standhalten, zu gering ist ihre Zahl, zu groß sind ihre Verluste. Sie fliehen nicht, aber sie werden zurückgedrängt auf das dritte Treffen, das daher früher, allzu früh, in den Kampf eingreifen muß. Fest hält der Burggraf von Nürnberg, das Banner des Reiches in der Faust, denn geht es um die Entscheidung. Wankt auch Rudolfs drittes Treffen und dem Ansturm der Feinde, ist die Schlacht für ihn verloren. Erbittert muß diese Ringen gewesen sein, Deutsche schlagen auf Deutsche, Schwaben auf Bayern, Bayern auf Elsässer, Elsässer auf Thüringer. Sie schenken einander nichts, Nicht einen Augenblick verschwenden Ottokars deutsche Gäste an den Gedanken, daß sie gegen den König jenes Reiches fechten, dem sie selber angehören, sie kennen kein Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit. Dem König von Böhmen haben sie Treue geschworen, und diese Treue werden sie halten, und sie wollen siegen. Daß es das Reichsoberhaupt ist, das sie in arge Bedrängnis, sogar in Lebensgefahr bringen ist ihnen gleichgültig.



Fortsetzung folgt

Intimus* enger Freund, Vertrauter

5. April 2008

Ludwig IX. - zwischen fasten und speisen



Heute wollen wir mehr über die Tischgebräuche Ludwig des IX. erfahren. Der Karpetinger, später Saint Louis genannt, hielt streng die Fastenregeln der damaligen Zeit und zeigte große Mäßigung bei der Nahrungsaufnahme. Trotzdem erfüllte er die Pflicht als Gastgeber vorzüglich und es werden uns einige Beispiele der Gastlichkeit im 13. Jahrhundert gegeben.

Guillaume de Saint-Pathus berichtet uns:

Obwohl dem heiligen König große Fische wohl mundeten, legte er die großen, die ihm aufgetragen wurden, oft beiseite und ließ für seinen Mund kleine Fische bringen , von denen er aß. Manchmal ließ er die großen Fische, die ihm vorgesetzt wurden, in Stücke zerlegen, damit man glaubte, er habe davon gegessen und doch aß er nichts von diesen Großen noch von anderen Fischen, sondern begnügte sich mit der Suppe und hieß die Fische als Almosen ausgeben. Und oft trug es sich zu, daß er, wenn Braten und andere Gerichte mit köstlichen Saucen vor ihn hingestellt wurden, Wasser in Würze gab, um den guten Geschmack der Sauce zunichte zu machen. Und wenn derjenie, der ihm vorlegte zu ihm sagte: „Herr, ihr verderbt Euch den Geschmack“, antwortete er: „Kümmert auch nicht darum, ich mag es lieber so“
Wenn die ersten Neunaugen nach Paris kamen und dem König und den anderen bei Tisch aufgetragen wurden, aß er nicht davon, sondern ließ sie den Armen reichen oder dem gemeinen Almosendienst zukommen. So wurden diese Gerichte dergleichen herabgesetzt, daß sie nur noch an die fünf Sous wert waren, wo sie doch am Anfang vierzig Sous wert waren. Vor ihm standen einen goldener Kelch und ein Glas, und auf dem Glas war ein Maß, bis zu dem er es mit Wein füllen ließ; alsdann ließ er so viel Wasser hineingeben, daß auf Viertel Wein ungefähr drei viertel Wasser kamen. Und bald trank er auf dem Glas, oder er gab das Getränk, nach dem es derart bemessen war, in den goldenen Kelch und trank aus dem Kelch.

Im Widerstreit zwischen seinen Wunsch nach Mäßigung und dem leidenschaftlichen Streben nach herausragender Frömmigkeit und Sittlichkeit möchte Ludwig ein Meister der asketischen Ernährung sein, doch er akzeptierte mildernde Umstände, teils aus Gesundheitsgründen, aber auch um seinen Ideal als maßvoller Prud`homme gerecht zu werden und um trotz allem seinen Rang zu wahren.
Manche seiner Untertanen und seiner Zeitgenossen haben darin sogar eine Form von Heuchelei gesehen, die man ihm vorwarf, ein Scheinheiligkeit nach Art der Bettelbrüder, die ihm Ratgeber und Vorbild waren.

Es bleiben noch zwei Zeugen, die nicht Hagiographen oder Biographen sind, sondern Chronisten, in beiden Fällen ausländische Ordensgeistliche:

Der junge Franziskanerbruder Salimbene von Parma berichtet über einen Mahl als der heilige Ludwig auf dem Weg zum Kreuzzug in Sens eintraf, wo im Juni 1248 das Generalkapitel der Franziskaner tagte. Er hebt hervor, daß dem König zum Empfang ein großer Hecht geschenkt wurde. Hier ist der Hecht nur eine Gabe, und wir erfahren nicht ob Ludwig ihn verspeiste – aber wir kennen seine Vorliebe. Jedenfalls erhält die Szene von der Ankunft des bußfertigen Königs durch diese Episode einen gastronomischen Akzent. Der König wird dem Festmahl nicht entrinnen: Zu seinen Ehren und zu Ehren seiner Gefährten scheuen die guten Franziskaner, stets zur Fröhlichkeit geneigt, keinen Aufwand, um in üppigen Mengen frische Köstlichkeiten aufzutragen.

An diesem Tag aber zahlte der König alle Kosten und speiste mit den Brüdern. Und wir speisten im Refektorium; und es nahmen dabei teil die drei Brüder des Königs, der Kardinal der römischen Kurie, der Generalminister, Bruder Rigaldus, Erzbischof von Rouen, und der Provinzialminister von Frankreich, ferner alle Kustoden und Kapitelordner und alle Vertauensmänner und alle Mitglieder des Kapitels und die Gastbrüder, die wir Forensen nennen.
Wir bekamen also an jenem Tage zuerst Kirschen, dann schneeweißes Brot, und königlichen Wein in Mengen, wie es königlicher Freigebigkeit entspricht. Und nach der Sitte der Franzosen gab es viele, die die Unwilligen einluden und zum Trinken zwangen, Dann bekamen wir junge Bohnen in Milch gekocht. Fische und Krebse, Aale in einer ausgezeichneten Sauce, Torten und Quarkkäse in kleinen Weidenkörbchen; und auch die üblichen Früchte bekamen wir reichlich und geziemend, Und alles ward mit Freundlichkeit aufgetragen und emsig serviert.


Der letzte Zeuge ist der englischen Chronist und Benediktiner Mathäus von Paris. Er hat sich gut über den Paris-Aufenthalt des König von England unterrichten lassen, nachdem Heinrich der III. gegen Ende des Jahres 1254 einer Einladung des Königs von Frankreich gefolgt war.

Am selben Tag speiste der Herr König von Frankreich, wie er es versprochen hatte, mit dem Herrn König von England im besagten alten Temple, im großen Königsaal, mit der zahlreichen familia aus Vertrauten und Gefolgsleuten der beiden Könige, Und alle Räume waren voller Tischgäste. Es gab keine Türhüter oder Kassierer, weder am Haupteingang noch an sonstigen Eingängen, und die Türen standen allen offen, und es wurde ihnen ein prunkvolles Mahl beschert, wobei das einzig Abstoßende vielleicht der Überfluß an Speisen war. Nie in der Vergangenheit hatte man ein so edles, so glänzendes, so vornehm besuchtes Banket gesehen, weder zur Zeit des Assuerus, noch zur Zeit von König Artus, noch zur Zeit Karl des Großen. Die unerschöpfliche Vielfalt der war erhebend, die Fülle an Getränken köstlich, der Tischdienst eilfertig und freundlich, die Sitzordnung der Gäste gut bestellt, die Freigebigkeit an Geschenken grenzenlos … sie tafelten in folgender Ordnung: Erhaben, in der Mitte, der König von Frankreich, der König aller Könige der Welt, mit dem König von England zu seiner Rechten und zu seiner Linken dem König von Navarra … Dann setzten sich die Herzöge nach Rang und Würden, und 24 Personen saßen auf erhöhten Plätzen zwischen den Herzögen. Es waren 12 Bischöfe anwesend, von manchen ranghöher geschätzt als die Herzöge, aber sie wurden mit den Baronen vermischt. Was die Zahl der rühmlichen Ritter anbelangt, so konnte man sie nicht zählen, Es gab 18 Gräfinen, unter ihnen die Schwestern der beiden Königinnen, nämlich die Gräfin von Cornwall, die Gräfin von Provence und von Anjou, und dazu die Gräfin Beatrix, ihre Mutter, die vergleichbar mit Königinnen waren. Nach diesem prunkvollen und herrlichen Mahl, obwohl es ein Fastentag war verbrachte der König von England die Nacht im großen Palais des Herrn König von Frankreich mitten im Herzen von Paris.

Die Tischregeln für Ludwig war im Karolinus, einem Fürstenspiegel festgeschrieben, den Ägidius von Paris im Jahr 1200 Prinz Ludwig überreichte, dem ältesten Sohn und Nachfolger Phillipp Augustus und leiblichen Vater des heiligen Ludwig, empfiehlt er dem jungen Prinzen, sich Karl dem Großen zum Vorbild zu nehmen, und schreibt die Disziplin des Kaisers bei der Tafel wie folgt:

Er kannte kein raues Gefühl in der Kehle,
weder Drängen im Bauch noch Räuspern auf offenem Halse,
sondern hielt auf maßvollen Lebenswandel,
außer wenn es sich geziemt, daß die Königspfalz
in reichlichem Prunk erstrahlte.
Nicht selten war er ein guter Tischgenosse
Und ließ nie mehr als vier Speisen zu.
Sein Vorzug bei Tisch galt gebratenem Fleisch,
das er gern als Lieblingskost hatte,
und erbat das gebratene Wild am Spieß,
kaum über die Sättigung hinaus,
und vom Wein trank er bei Essen nie öfter als viermal.


Hinter diesen Versen verbirgt sich ganz offensichtlich die Vita Caroli, Einhards Leben Karls des Großen aus dem 9. Jahrhundert:

Im Speis und und Trank war er mäßig, mäßiger jedoch noch im Trank, denn Trunken heit verabscheute er an jedem Menschen aufs äußerste, erst recht denn an sich und an den Seinigen, Im Essen jedoch konnte er nicht so enthaltsam sein, vielmehr klagte er häufig, das Fasten schade seinem Körper. Höchst selten gab er Gastereien und nur bei besonderen festlichen Gelegenheiten, dann jedoch in zahlreicher Gesellschaft. Bei gewöhnlichen Essen wurde nur vier Gerichte aufgetragen außer dem Braten, den die Jäger am Bratspieß zu bringen pflegten und der ihm lieber war als jede andere Speise, Während der Tafel hörte er einen Musikanten oder einen Vorleser. Im Genuß des Weins nahm er so mäßig, daß er beim Essen selten mehr als dreimal trank. Im Sommer nahm er nach der Mahlzeit etwas Obst zu sich und trank einmal, dann legt er Kleider und Schuhe ab, wie er es bei Nacht tat, und ruhte zwei bis drei Stunden.

Wenn Ihr euer Wissen über Luwig den Heiligen vertiefen wollt, dann kann ich euch die Biographie von Jacques Le Goff "Ludwig der Heilige" Verlag Klett-Kotta, 995! Seiten, ans Herz legen. Jacques Le Goff war Präsident der Hautes Etues en Siences Sociales in Paris und gehört zu den beudeutendsten Historikern Europas in der Tradition der Annales-Schule. 1994 erhielt er den Hegel-Preis der Stadt Stuttgart.
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