11. Oktober 2007

1777 - Joseph II. besucht Frankreich






















Trotz der anfänglichen Geheimhaltung verursachte der Besuch des Kaisers große Aufregung in Paris. Die Franzosen waren begeistert von diesem unscheinbaren, einfachen leutseligen Mann, der so ganz anders war als ihre eigenen unnahbaren und extravaganten Herrscher.
Das Besichtigungsprogramm Josephs war ungemein reichhaltig. Er war rastlos tätig und ungeheuer wissbegierig, Immer wieder staunte er über das Entgegenkommen, das er überall fand, Alle militärischen Einrichtungen und Festungswerke wurde ihm zur Besichtigung freigegeben, er erhielt detaillierte Angaben über die Marine und das Land.
Eine der wichtigsten Persönlichkeiten, die Joseph auf dieser Reise traf, war der damals gestürzte Controlleur Anne-Robert-Jaques Turgot, der mit seinem physiokratischen System offenbar eine Anzahl später Reformen Josephs beeinflusste. So hat Turgot Die Aufhebung der Robot und der Zünfte sowie die Freiheit des Binnenhandels mit Getreide und anderen Lebensmittel vorgeschlagen.
Die Vorschläge Turgots zur Einführung der Toleranz, für ein staatliches Erziehungswesen, für die Selbstverwaltung der Gemeinden und eine physokratischen Grundsteuer sind in Frankreich nicht zur Anwendung gekommen, enthalten aber manche Reformpläne, die Joseph II. in Österreich und sein Bruder Leopold II. in der Toskana verwirklicht haben.
Großen Eindruck machte der Bankier Jaques Necker auf den Kaiser, denn noch Jahre später dachte Joseph an den Besuch bei ihm. Nach dem Sturz Neckers im Jahre 1781 wollte der Kaiser den berühmten Finanzmann sogar nach Österreich verpflichten, doch lehnte der Schweizer aus persönlichen Gründen ab.
Das größte und berühmteste Spital Frankreichs, das Hotel Dieu in Paris, wurde vom Kaiser schon am 21. April besucht, ohne daß er davor zurückschreckte, daß dort auch Menschen mit ansteckenden Krankheiten behandelt wurden. Joseph erschien nach seiner Gewohnheit unangemeldet und fand weder Ärzte noch Chirurgen im Dienst vor, nicht einmal in der Gebärabteilung waren solche anwesend, Er tadelte die niederen und dumpfen Säle, den Umstand, daß die Kranken oft zu dritte oder zu viert in einem Bett lagen, auch Aufsicht und Sauberkeit gefielen ihm nicht. Dem Kaiser wurde eine Liste von 2882 Personen, die an diesem Tag das Krankenhaus füllten, übergeben, und er beschenkte das Spital reichlich, obwohl er einen ungünstigen Eindruck hatte. Die Erlebnisse haben auf ihn aber so nachhaltig gewirkt, daß der Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses im Jahre 1783 nach dem Plan des Hotel Dieu in Angriff genommen werden könnte.
Daneben besichtigte Joseph II. den Botanischen Garten, bewunderte die Sammlung und das Naturalienkabinett.
Bei dieser Gelegenheit weise ich auf eine Anekdote hin, die Erzherzog Maximilian der jüngsten Bruder von Joseph verursacht hat.
Bei dessen Besuch, Jahre zuvor hat der berühmte Botaniker Buffon dem jungen Erzherzog Maximilian wertvolle Bücher mit seinen Werken als Geschenk überreicht.
Maximilian hat sich mit einer Ausrede, er möge ihn nicht um solch wertvollen Bücher berauben aus der Affäre gezogen. Vermutlich wollte er bloß keine schweren Bücher mit auf die Reise nehmen.
Dieser Fauxpas wurde öffentlich und drang bis nach Wien.
Joseph hat bei seinem Besuch in Paris, Buffon höflich gefragt, ob er die Bücher die sein Bruder „vergessen“ habe nicht mitnehmen könne.
Der Kaiser hinterließ ohne Zweifel in Paris einen besseren Eindruck als amtlich in Versailles. Dort war man ihm böse, weil er die Etikette vernachlässigte. Seine einfache Kleidung und sein Betragen bildeten einen scharfen Gegensatz zur Eleganz am glänzenden und zeremoniell geprägten Hof zu Versailles.
Joseph II. war über den Wohlstand und den Anblick der blühenden Provinzen in Frankreich erstaunt und hat nach seiner Rückkehr einige Institutionen und Anstalten im sozialen und staatlichen Bereich nach französischem Vorbild reformiert.